Sonntag, 4. März 2007

Die erste Woche

So, die erste Woche als reguläres Mitglied der Gesellschaft ist geschafft, und hiermit lege ich Zeugnis ab, was mir noch so alles an erwähnenswertem geschehen ist:

Erstmal hat mich am Dienstagmorgen die Sekretärin der Schule zu sich zitiert, auf dass wir meinen Arbeitsvertrag klarmachen. Doch wir sind schnell an einem Punkt angekommen, wo es nicht mehr weiterging: Integraler Bestandteil des Vertrags sind sympathischerweise meine Kontodaten, dass ich auch meine Kohle immer schön kriege. Leider überweist mein Arbeitgeber (über einige Ecken der luxemburgische Staat) das Geld nur auf ein Konto der luxemburgischen Postbank, da so das Geld ja irgendwie dann in der Familie bleibt. Ich hatte natürlich kein solches Konto, also ging erst mal gar nichts. Glücklicherweise habe ich ja immer viel Freizeit beim Arbeiten, so dass ich einfach flugs zur nächsten Postfiliale ging, um mir ein solches Konto zu eröffnen. Das ging auch einigermaßen problemlos, leider konnte man mir meine Kontonummer und ähnliches nicht gleich mitteilen, da die Postbank in Luxemburg ja ein staatliches Unternehmen ist, und erst mal alles dauert. Das zuständige Fräulein meinte, ich würde bis Ende der Woche (!) Post mit allen Details bekommen, was aber bis heute (Sonntag) noch nicht geschehen ist.
In der Schule meinte dann die Sekretärin, man könne ja schon mal alles unterzeichnen, und die Kontodaten später per Hand reinschreiben. Mir soll's Recht sein, also flink den Kuli gezückt, und den Vertrag in sechsfacher (in Zahlen: 6!!!) Ausführung unterschrieben… Sechs Kopien! Ich glaube, der Premierminister, der Bildungsminister, und der Großherzog bekommen auch ein Exemplar dieses sehr wichtigen Schriftstücks, ich bin mir allerdings nicht ganz sicher…

Donnerstag Abend bin ich dann voller Erwartung zur Premiere des Schultheater-Stücks gegangen. Brecht ist ja jetzt nicht mein Leib-und-Magen-Stückeschreiber, aber ich wollte mir mal anschauen, was so geboten wird. Erfreut war ich sofort von den beiden Hauptdarstellern: "Herr Puntila" ist grotesk groß, und bewegte sich, da er im Stück permanent alkoholisiert ist, wie Johnny Depp in "Fear and Loathing in Las Vegas". Sein "Knecht" Matti hat ein beachtenswertes Talent für komisches Timing an den Tag gelegt, und es war eine Freude, ihm zuzusehen, wie er seinen Arbeitgeber und seine gesamten Mitmenschen permanent manipuliert hat, und dabei immer vorgab, sich für nichts zu interessieren. Leider hatte ich "Matti" im Vorfeld mal meine Leidenschaft für's Theater verraten, was er wohl als Einladung sah, mich vor allen seinen Kollegen zu du-zen, was ich dann aber auch schon wieder unterbunden habe. Doch das nur als Klammer.
Wie bei jeder Laiengruppe ist jedoch leider auch bei der LRSL-Truppe das Problem, dass der Talent-Pool relativ seicht ist, und so war oft die ungewollte Komik der Aspekt, der das Spiel interessant hielt. Das größte Problem bei der ganzen Chose war allerdings, dass wohl die Regisseurin (eine Französischlehrerin, die mit meiner Mutter zur Schule gegangen war) einen sehr großen Respekt vor dem Originaltext empfindet, was ihr verbat, ihn auch nur ansatzweise zu kürzen. Dank unnötig langer Umbaupausen war so das Schauspiel auf die epische Nettospielzeit von 3 ½ Stunden angeschwollen! Da hat auch die zehnminütige Pause zwischendrin nicht verhindern können, dass einem an Ende ein bisschen der Popo und das Hirn geschmerzt haben.

Ich bin ja schon groß, da will ich auch eine eigene Wohnung haben. Das ist aber in Luxemburg nicht so ganz einfach, und die schwindelerregend hohen Mieten sind die einzige Rechtfertigung für die obszönen Gehälter, die landesweit so ausgezahlt werden. Da ich nun aber beruflich gesehen noch unten in der Nahrungskette stehe und noch nicht über diese unanständigen Summen verfüge, muss ich halt kucken, was so abfällt für mich, wohnungstechnisch.

Eine Internetrecherche hat 6 Wohnungen in Nähe meines Arbeitsplatzes zutage gebracht, von denen zwei schon weg waren, als ich anrief. Eine weitere wurde nach Angaben der Maklerin wider Erwarten wohl noch bewohnt, und so blieben 3 Wohnungen, die sich zufälligerweise alle im gleichen Haus, in einer sehr netten Umgebung, befanden. Am Donnerstag nach Feierabend fand mein erstes Meeting vor Ort mit einer süßen jungen Frau mit bedauernswert dickem Hintern statt, und leider gefiel mir die Wohnung nicht besonders, da das Badezimmer inklusive WC auch die Küche war, und ich mir nicht vorstellen kann, im Klo-bedingten Fäkalgeruch zu kochen.
Während mir die Maklerin von Donnerstag eher angenehm in Erinnerung blieb, so hatte die von Freitag durchaus Qualitäten als Geisterbahn-Angestellte: die Dame hat die Sechzig nicht erst letztes Jahr überschritten, hat aber einen skrupellosen Chirurgen gefunden, der eher halbherzig versucht hat, sie noch mal wie 35 aussehen zu lassen, mit begrenztem Erfolg: die Lippen waren bis zur Sprachstörung aufgeblasen, die falschen Fingernägel lenkten nur dürftig von den von Arthritis verkrümmten Fingern ab, und vom Permanent-Make-up der Augen will ich gar nicht erst reden. Doch ich war ja auch wegen der Wohnung da, und nicht zum poppen. Sie führte mich das schon am Vortag begutachtete Treppenhaus hoch, und als sie den Schlüssel zückte, staunte ich nicht schlecht, denn Eisenbart ward vom gleichen Schloss empfangen, das mir am Donnerstag Zugang zur Wohnung gewährt hatte, und folglich war auch die Behausung die gleiche. Ein kurzer Blick in die Kloküche verschaffte mir Sicherheit, und ich verabschiedete mich dankend vom gepimpten Skelett.
Am Samstag war ich nach durchzechter Nacht mit einem portugiesischer Makler verabredet, der seine iberischen Wurzel beim französisch sprechen gar nicht erst versucht hat, zu verleugnen. Ich versprach mir von der südlich-forschen Art viel, nur konnte auch dieser Makler mich nicht mehr überraschen. Zum dritten Mal, an drei aufeinander folgenden Tagen, stand ich in der schizophrenen Kammer, die sich nicht zwischen Badezimmer und Küche entscheiden kann. Wieder zog ich dankend ab, und legte mich wieder schlafen.
Merke: Makler können noch so verschieden sein, eine Wohnung wird aber dadurch auch bei der dritten Besichtigung nicht bewohnbarer.

Der französische Sprachtest, der Teil der Zulassung zum Referendariat ist, entpuppte sich als relativ harmlos. Freitagnachmittag hatte ich zwei Stunden Zeit, um erst zu einem miserabel nichtssagenden Text zum Thema "Mut" einfache Verständnisfragen schriftlich zu beantworten, und anschließend eine kleine Abhandlung zum doch sehr allgemein gehaltenen Thema "Erziehung" zu schreiben. In 250 Worten bzw. einer Stunde stellte ich den Plan für die richtige Erziehung auf. Nächsten Freitag werde ich dann mit ähnlich vagen Phrasen im mündlichen Examen meine Französischkenntnisse beweisen, hoffentlich vorerst zum letzten Mal.

Ich möchte die heutige Predigt mit ein paar Gedanken zu meinen Schülern abschließen. ALTER Verwalter, sind die verwirrt! Es ist mir eine Freude, zuzusehen, wie die verschiedensten Persönlichkeiten und Stile ausprobiert werden, die Kinder mal so, mal so auftreten, und gerne auch mal wild alles durcheinanderbringen. Gerade bei den Anhängern der Gitarrenmusik kann ich als Kenner die Unentschlossenheit identifizieren: Metal? Emo? NuMetal? Punk? All dies scheint austauschbar zu sein, und die Bandshirts (besonders beliebt: Children of Bodom) tragen diese Orientierungsphase an mein wissendes Auge. Es ist ein Fest, ich erkenne mich wieder, und ich freue mich täglich, wieder unter 13jährigen weilen zu dürfen, aber selber nicht mehr in diesem schwierigen Alter sein zu müssen…

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