Montag, 26. März 2007

Amok

Gestern morgen hielt ich Aufsicht auf einer achten Klasse, die statt Englisch Latein lernt (Kurze Erklärung: in Luxemburg lernt man ab der 1. Deutsch, ab der 2. dann zusätzlich Französisch, und dann erst in der 8. entweder Englisch oder Latein). Diese Klasse (8., Latein) ist jedes Jahr die bravste, da sie ja noch präpubertär ist und nur aus Schülern aus gutem Hause (in dem die Eltern Bildungsbürger sind, die deshalb wollen, dass ihr Kind erst mal Latein lernt) besteht.
Als ich mich aber dann nach einer Viertelstunde vom Lehrerpult erhob, um einen kleinen Inspektionsgang durch die Klasse zu machen, staunte ich nicht schlecht, als ich in den Händen einer 14-jährigen Schülerin das Magazin "Caliber" sah, in dem es ausschliesslich Schusswaffen zu begutachten gibt. Gerade schaute sich ebendiese Schülerin einen Artikel über eine schicke Handfeuerwaffe an. Ich erschrak, dachte gleich an schülerischen Amoklauf, und als ich sie darauf ansprach, meinte sie nur, ich brauche mir keine Sorgen zu machen, Waffen würden lediglich eine gewisse Faszination auf sie ausüben. Um den Hals trug sie tatsächlich einen mit Swarowski-Steinen besetzten Anhänger in Form einer Pistole, wie sie sich gerade eine im Magazin angekuckt hatte.
Etwas beunruhigt zwar, aber dennoch nicht so weit schockiert, dass ich jetzt gleich den schulpsychologischen Dienst auf die Arme hetzen wollte, setzte ich mich wieder ans Lehrerpult. Am Ende der Stunde warnte ich die Waffenfanatikerin nochmal, dass sie nachsitzen müsse, wenn ich sie auch nur ein einziges Mal amoklaufend erwische. Diese Drohung schien gewirkt zu haben (falls sie denn je vorhatte, wild um sich schiessend durch die Schule zu ziehen), denn heute war der letzte Schultag vor den Osterferien, und ich hörte von keinem Zwischenfall...

Europa

Da ich bemerkt habe, dass politische Themen hier besonders gut ankommen, will ich hier eine kleine Anekdote erzählen, die mir praktischerweise am Freitag passiert ist:
Ich fuhr mal wieder mit dem Auto von Luxemburg nach Freiburg, durch Frankreich natürlich, und als ich zwischen Kehl und Strasburg die sogenannte "Europabrücke" überqueren wollte, war sie gesperrt, da es eine Frontalkollision zwischen einem PKW und einem Laster mitten auf dem Scheitelpunkt der Brücke gegeben hatte. Lustigerweise standen am Brückenanfang (auf der französischen Seite, wo ich gestrandet war) ein paar Luxemburger rum, die auf meine Befragung hin ihren Status als Hauptzeugen des Unfalls als Grund für ihr Vorhandensein angaben. Ich musste eine andere Brücke zur Ueberquerung des Rheins benutzen, und war kurze Zeit später in Freiburg.
Als ich die Geschichte meinem Kumpel M.K. berichtete, fand er, dass die Kollision auf der Europabrücke als eine Metapher für das Scheitern der europäischen Idee gedeutet werden könne. Diese Interpretation finde ich lustig und nicht allzu weit hergeholt, ich frage mich nur: Wieso ist dann Luxemburg Hauptzeuge des Unfalls?

Dienstag, 20. März 2007

Luxemburgensia



Es ist an der Zeit, ein paar allgemeine Beobachtungen zu dem Land abzulassen, in dem ich jetzt lebe.
Erstens möchte ich festhalten, dass es mich tierisch nervt, dass viele von den vielen Tausenden Franzosen, die in Luxemburg arbeiten (womit ich gar kein Problem habe), sich benehmen, als wäre Luxemburg eine zwar minderwertige, aber trotzdem zur "Grande Nation" gehörende Provinz. Schlimm ist vor allem, dass ganz viele meiner Mitbürger dies als selbstverständlich annehmen. Dies äußert sich in vielerlei Hinsichten, beginnend damit, dass sich Leute, obwohl alle der luxemburgischen Sprache mächtig sind, auf französisch unterhalten, um irgendwie toller zu klingen, und findet seinen momentanen Höhepunkt darin, dass man von manchen als ungebildet oder prollig angesehen wird, wenn man nicht alle Details der von den Franzosen als weltweit wichtigstes Ereignis der Dekade propagierten Wahl ihres Premierministers (von ebensolchen Individuen nur "Présidentielles" bezeichnet) kennt. Ich möchte von diesen Deppen mal, ganz kurz nur, erklärt bekommen, was in der deutschen Politik unter "Jamaika" oder "Ampel" verstanden wird. Na? Also, schweigt, ihr Francophilen!

Einen zweiten Diss möchte ich loswerden an die Adresse von uni.lu. Dies ist der großartige Name, den sich die Leute ausgedacht haben, als sie das völlig hirnrissige Projekt einer luxemburgischen Universität aus der Taufe hoben. "uni.lu"?!? So wie die Internetadresse?!? Andere Unis benennen sich nach historischen Gönnern oder Gründern, beziehungsweise nach großen Forschern oder Künstlern, die mit der Uni in Verbindung gebracht werden. Aber eine URL als Name für die Alma Mater? Ich weiß nicht recht…
Dazu kommt, dass natürlich erst mal nix da war, so uni-mäßig, also hat man einfach die technische und die pädagogische Hochschule in den Uni-Status erhoben. Hey Presto! Wenn man bedenkt, dass "uni.lu" eine Elite-Uni werden soll, ist das auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung gewesen…

Folgende Sachen sind mir dann am Wochenende aufgefallen, als ich Party gemacht habe:

Dass Luxemburg klein ist, zeigt sich leider auch im Nachtleben. Es ist zwar nicht so, als wäre das Angebot nicht vielfältig genug, ganz im Gegenteil, der Luxemburger trinkt und feiert gerne und viel (und kann es sich auch leisten), und dementsprechend schillernd ist das Angebot (auch wenn es definitiv Abzüge gibt, wenn es um Schließstunden geht). Das Problem ist schlicht und ergreifend die Tatsache, dass man manchen Leuten nicht aus dem Weg gehen kann, und in meinem Fall besteht diese "negative Zielgruppe" aus Schülern. Man will ja nicht die in der Schule schwer erkämpfte Autorität dadurch verlieren, dass man halbnackt tanzend auf der Bühne irgendeiner Disse gesichtet worden ist. Man kann also als Pädagoge kein gepflegtes Doppelleben führen, ohne dass am Montag die ganze Schule von den Exzessen weiß. Ärgerlich.
Lustig ist hingegen, dass auch die "Prominenz" sich der Öffentlich nur schwer entziehen Kann. So sah ich am Samstag wiederholt Sandy L., eine ehemalige luxemburger Nachrichtensprecherin aus dem Fernsehen, und sie sieht trotz nicht mehr mädchenhaften Alters immer noch verdammt gut aus. Das nur als Notiz am Rande.

Der Luxemburger trinkt, wenn er weggeht, bevorzugt ein "Mini". Das ist, wie der Name schon ahnen lässt, ein kleines Pils, 25 oder 33 cl. Das ist gut, denn so ist das Bier immer schön kalt und wird nicht schal, und da der Service im Vergleich zu Freiburg echt gut ist (was zugegebenermaßen nicht besonders schwierig ist), hat man immer frisches Bier am Start. Leider es gibt kein alkoholfreies Bier in Kneipen und Clubs. In keiner einzigen Bar in ganz Luxemburg kann man alternativ zum leckeren normalen Bier ein fahrerfreundlicheres trinken (zumindest nirgendwo, wo ich nachgefragt habe, und das sind mittlerweile schon einige Orte). Kann da nicht zufälligerweise die Tochter des Gesundheitsministers, falls sie dies hier "durch Zufall" liest, was dagegen tun? ;)

Sonst gefällt es mir aber sehr gut in Luxemburg, ich habe ab 01.05. auch eine Wohnung hier, 3 Minuten Fußmarsch von der Schule entfernt, und dann sind natürlich alle meine Freunde aus aller Welt herzlichst dazu eingeladen, mich zu besuchen!

Mittwoch, 14. März 2007

Auf der Flucht


Gestern war ich mal wieder joggen. Im Wald. Alleine. Allerdings war ich alles andere als einsam. Ich kam mir vor, als würde ich durch's Ghetto laufen. Während meiner ganzen Trainingseinheit (sie dauerte eine Dreiviertelstunde, da ich mich ziemlich verlaufen habe) wurde ich von einem Polizeihubschrauber begleitet. Mitten im Wald hielten mich zwei verschiedene Polizeiautos an, und frugen, ob ich nicht "zwei Männer chinesischen, äh, also zwei Chin…, also Sie wissen schon" gesehen habe. Hatte ich nicht, aber die Tatsache, dass zwei Asiaten mit mir durch den Wald liefen, die interessant (um nicht zu sagen: gefährlich) genug waren, einen Hubschrauber und mindestens zwei Polizeieinheiten zu mobilisieren, empfand ich als eher beunruhigend. Man kann sagen, mein Puls war nicht vom Joggen allein beschleunigt. Zu Unrecht, wie sich mittlerweile herausstellte, denn hier ist, was passiert war: Zwei junge Asiaten mit einem deutschen Kennzeichen waren bei einer regulären Verkehrskontrolle statt stehenzubleiben abgehauen, woraufhin eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei entstand, die ihren Höhepunkt auf der vom Feierabendverkehr geschundenen Autobahn in Form einer Kollision der beiden Fahrzeuge fand. Daraufhin sind die beiden "Kriminellen" per pedes in den von mir bejoggten Wald geflüchtet.
Und dafür wird in Luxemburg anderthalb Stunden lang ein Helikopter in die Luft geschickt, und, wie sich später herausstellte, mindestens fünf Streifenwagen und die Hundestaffel zum Einsatz gebracht. Respekt, Kollegen! Natürlich ist der Einsatz bisher ohne Erfolg geblieben…

Montag, 12. März 2007

Verschiedenes

Am Dienstag war ich mit einem Dutzend Schüler zur Berufsberatung, etwas verfrüht, wie ich finde, sind es doch alles Zehntklässler gewesen. Aber früh übt sich. Die Beratung war grausam schlecht gestaltet, aber immerhin habe ich herausgefunden, dass unsere Abi-Noten mittlerweile nach einem neuen System in das Deutsche Notensystem umgewandelt werden, so dass mittlerweile mein Schnitt statt eine 2,9 eine 1,9 ist! Die Genugtuung, wenn sie auch etwas verspätet kam, war groß…

Am Freitag durfte ich zum ersten Mal Nachsitzen überwachen. Ich war ganz aufgeregt, da ich dachte, jetzt lerne ich endlich die bösen Buben kennen. Aber auch die Nachsitzenden waren total nett, und als ich sie frug, aus welchen Gründen sie denn nachsitzen mussten, verstand ich auch, wieso das so ist. Wenn die damals so leichtfertig "Retenues" (so heißt das bei uns) verteilt hätten, hätte ich meine ganze Schulzeit mittags in der Schule bleiben müssen, glaube ich.
Als die "bösen" Schüler dann alle ihre Aufgaben gemacht hatten, und nur noch eine halbe Stunde der zweistündigen Bestrafungsmaßnahme übrig war, begannen sie, zu schwatzen, was ich in meiner unendlich Güte zuließ, und da stellte sich heraus, dass eine allgemeine Unzufriedenheit mit der schulpsychologischen Betreuung vorherrscht. Ich zeigte mich verwundert, packte kurzerhand die sechs Nachsitzenden ein, und wanderte ins gleich gegenüberliegende Büro zu den Kolleginnen, und stellte die Leute einander vor. Die Schüler zeigten sich überrascht, sind sie doch die alternden Lehrer des "Service Psychologique d'Orientation Scolaire", kurz SPOS, gewohnt. Sie wussten nicht einmal, dass wir auch junges und zudem psychologisch geschultes Personal im Dienst haben, da die alten Säcke den ganzen Betrieb monopolisieren, und dem besser geeigneten Nachwuchs lediglich das Administrative überlassen. Aber ich habe mal wieder Aufklärungsarbeit geleistet, und alles ward gut.
Später habe ich dann doch auch noch ein paar Jungs und Mädels getroffen, die endlich mal ein bisschen furchteinflössend aussahen. Auf Nachfrage bei den Kollegen wurde mir erklärt, dass es sich bei den Gestalten um dem "Centre Luxembourgeois d'Insertion de Jeunes Adultes" zugehörige Schüler handelt. Das "CLIJA" kümmert sich darum, dass frisch eingewanderte Jugendliche aus der ganzen Welt Grundzüge des Franösischen, Englischen, und der Mathematik lernen, um später dann in den regulären Schuldienst eingegliedert zu werden. Ich finde das eine löbliche Initiative, auch, weil es unserer Schule etwas street credibility verpasst.

Am Wochenende fuhr ich dann nach meiner mündlichen Französischprüfung, die ereignislos über die Bühne ging, nach Freiburg. Auf dem Weg dorthin zückte ich das Handy, aktivierte die Diktaphon-Funktion, und diktierte folgendes: "Ich finde, dass auf allen Autobahnen dieser Welt das Überholen von LKWs durch andere LKWs ausnahmslos verboten werden sollte, und der Verstoß gegen dieses Verbot soll mit sofortigem Genickschuss am Straßenrand geahndet werden." Amen!

Die Tage in meiner Zweit-Heimat sind weitesgehend in Alkohol untergegangen, deswegen kann ich nicht so viel dazu sagen. Auf dem Nachauseweg aber nahm ich in Freiburg gleich eine Anhalterin mit, die sich als sehr angenehme (Ost-)Berlinerin zu erkennen gab, die nach Marseille wollte. Nettes Geplaudere vertrieb mir die Zeit bis kurz nach Straßburg, wo ich sie an einer "péage"-Station aussetzte. Ich bezweifle zwar, dass sie dort Erfolg hatte, wünsche ihr aber alles Gute und hoffe, dass sie heile ankommt.

Dienstag, 6. März 2007

Pädogogik...

...funktioniert beidseitig.
Heute habe ich mir zum Beispiel von Schülern die Poker-Variante "Texas Hold'em" beibringen lassen. Alle meine Kinder, von der siebten zur dreizehnten Klasse, spielen das, es ist nämlich auch mittlerweile in Luxemburg zum Volkssport geworden, und das freut mich, denn das ist ganz klar ein Einfluss aus dem schönen Deutschland.

Montag, 5. März 2007

So was!


Heute hat sich denn endlich mal ein Schüler getraut, zu fragen, wer oder was ich eigentlich bin, mit den Worten: "Sind sie eigentlich "Surveillant" (was die unoffizielle Bezeichnung für meine Stelle ist) oder Hausmeister?" Hausmeister?!? Ich war gebührend entrüstet, und erwiderte dennoch milde: "Surveillant, natürlich".

Sonntag, 4. März 2007

Die erste Woche

So, die erste Woche als reguläres Mitglied der Gesellschaft ist geschafft, und hiermit lege ich Zeugnis ab, was mir noch so alles an erwähnenswertem geschehen ist:

Erstmal hat mich am Dienstagmorgen die Sekretärin der Schule zu sich zitiert, auf dass wir meinen Arbeitsvertrag klarmachen. Doch wir sind schnell an einem Punkt angekommen, wo es nicht mehr weiterging: Integraler Bestandteil des Vertrags sind sympathischerweise meine Kontodaten, dass ich auch meine Kohle immer schön kriege. Leider überweist mein Arbeitgeber (über einige Ecken der luxemburgische Staat) das Geld nur auf ein Konto der luxemburgischen Postbank, da so das Geld ja irgendwie dann in der Familie bleibt. Ich hatte natürlich kein solches Konto, also ging erst mal gar nichts. Glücklicherweise habe ich ja immer viel Freizeit beim Arbeiten, so dass ich einfach flugs zur nächsten Postfiliale ging, um mir ein solches Konto zu eröffnen. Das ging auch einigermaßen problemlos, leider konnte man mir meine Kontonummer und ähnliches nicht gleich mitteilen, da die Postbank in Luxemburg ja ein staatliches Unternehmen ist, und erst mal alles dauert. Das zuständige Fräulein meinte, ich würde bis Ende der Woche (!) Post mit allen Details bekommen, was aber bis heute (Sonntag) noch nicht geschehen ist.
In der Schule meinte dann die Sekretärin, man könne ja schon mal alles unterzeichnen, und die Kontodaten später per Hand reinschreiben. Mir soll's Recht sein, also flink den Kuli gezückt, und den Vertrag in sechsfacher (in Zahlen: 6!!!) Ausführung unterschrieben… Sechs Kopien! Ich glaube, der Premierminister, der Bildungsminister, und der Großherzog bekommen auch ein Exemplar dieses sehr wichtigen Schriftstücks, ich bin mir allerdings nicht ganz sicher…

Donnerstag Abend bin ich dann voller Erwartung zur Premiere des Schultheater-Stücks gegangen. Brecht ist ja jetzt nicht mein Leib-und-Magen-Stückeschreiber, aber ich wollte mir mal anschauen, was so geboten wird. Erfreut war ich sofort von den beiden Hauptdarstellern: "Herr Puntila" ist grotesk groß, und bewegte sich, da er im Stück permanent alkoholisiert ist, wie Johnny Depp in "Fear and Loathing in Las Vegas". Sein "Knecht" Matti hat ein beachtenswertes Talent für komisches Timing an den Tag gelegt, und es war eine Freude, ihm zuzusehen, wie er seinen Arbeitgeber und seine gesamten Mitmenschen permanent manipuliert hat, und dabei immer vorgab, sich für nichts zu interessieren. Leider hatte ich "Matti" im Vorfeld mal meine Leidenschaft für's Theater verraten, was er wohl als Einladung sah, mich vor allen seinen Kollegen zu du-zen, was ich dann aber auch schon wieder unterbunden habe. Doch das nur als Klammer.
Wie bei jeder Laiengruppe ist jedoch leider auch bei der LRSL-Truppe das Problem, dass der Talent-Pool relativ seicht ist, und so war oft die ungewollte Komik der Aspekt, der das Spiel interessant hielt. Das größte Problem bei der ganzen Chose war allerdings, dass wohl die Regisseurin (eine Französischlehrerin, die mit meiner Mutter zur Schule gegangen war) einen sehr großen Respekt vor dem Originaltext empfindet, was ihr verbat, ihn auch nur ansatzweise zu kürzen. Dank unnötig langer Umbaupausen war so das Schauspiel auf die epische Nettospielzeit von 3 ½ Stunden angeschwollen! Da hat auch die zehnminütige Pause zwischendrin nicht verhindern können, dass einem an Ende ein bisschen der Popo und das Hirn geschmerzt haben.

Ich bin ja schon groß, da will ich auch eine eigene Wohnung haben. Das ist aber in Luxemburg nicht so ganz einfach, und die schwindelerregend hohen Mieten sind die einzige Rechtfertigung für die obszönen Gehälter, die landesweit so ausgezahlt werden. Da ich nun aber beruflich gesehen noch unten in der Nahrungskette stehe und noch nicht über diese unanständigen Summen verfüge, muss ich halt kucken, was so abfällt für mich, wohnungstechnisch.

Eine Internetrecherche hat 6 Wohnungen in Nähe meines Arbeitsplatzes zutage gebracht, von denen zwei schon weg waren, als ich anrief. Eine weitere wurde nach Angaben der Maklerin wider Erwarten wohl noch bewohnt, und so blieben 3 Wohnungen, die sich zufälligerweise alle im gleichen Haus, in einer sehr netten Umgebung, befanden. Am Donnerstag nach Feierabend fand mein erstes Meeting vor Ort mit einer süßen jungen Frau mit bedauernswert dickem Hintern statt, und leider gefiel mir die Wohnung nicht besonders, da das Badezimmer inklusive WC auch die Küche war, und ich mir nicht vorstellen kann, im Klo-bedingten Fäkalgeruch zu kochen.
Während mir die Maklerin von Donnerstag eher angenehm in Erinnerung blieb, so hatte die von Freitag durchaus Qualitäten als Geisterbahn-Angestellte: die Dame hat die Sechzig nicht erst letztes Jahr überschritten, hat aber einen skrupellosen Chirurgen gefunden, der eher halbherzig versucht hat, sie noch mal wie 35 aussehen zu lassen, mit begrenztem Erfolg: die Lippen waren bis zur Sprachstörung aufgeblasen, die falschen Fingernägel lenkten nur dürftig von den von Arthritis verkrümmten Fingern ab, und vom Permanent-Make-up der Augen will ich gar nicht erst reden. Doch ich war ja auch wegen der Wohnung da, und nicht zum poppen. Sie führte mich das schon am Vortag begutachtete Treppenhaus hoch, und als sie den Schlüssel zückte, staunte ich nicht schlecht, denn Eisenbart ward vom gleichen Schloss empfangen, das mir am Donnerstag Zugang zur Wohnung gewährt hatte, und folglich war auch die Behausung die gleiche. Ein kurzer Blick in die Kloküche verschaffte mir Sicherheit, und ich verabschiedete mich dankend vom gepimpten Skelett.
Am Samstag war ich nach durchzechter Nacht mit einem portugiesischer Makler verabredet, der seine iberischen Wurzel beim französisch sprechen gar nicht erst versucht hat, zu verleugnen. Ich versprach mir von der südlich-forschen Art viel, nur konnte auch dieser Makler mich nicht mehr überraschen. Zum dritten Mal, an drei aufeinander folgenden Tagen, stand ich in der schizophrenen Kammer, die sich nicht zwischen Badezimmer und Küche entscheiden kann. Wieder zog ich dankend ab, und legte mich wieder schlafen.
Merke: Makler können noch so verschieden sein, eine Wohnung wird aber dadurch auch bei der dritten Besichtigung nicht bewohnbarer.

Der französische Sprachtest, der Teil der Zulassung zum Referendariat ist, entpuppte sich als relativ harmlos. Freitagnachmittag hatte ich zwei Stunden Zeit, um erst zu einem miserabel nichtssagenden Text zum Thema "Mut" einfache Verständnisfragen schriftlich zu beantworten, und anschließend eine kleine Abhandlung zum doch sehr allgemein gehaltenen Thema "Erziehung" zu schreiben. In 250 Worten bzw. einer Stunde stellte ich den Plan für die richtige Erziehung auf. Nächsten Freitag werde ich dann mit ähnlich vagen Phrasen im mündlichen Examen meine Französischkenntnisse beweisen, hoffentlich vorerst zum letzten Mal.

Ich möchte die heutige Predigt mit ein paar Gedanken zu meinen Schülern abschließen. ALTER Verwalter, sind die verwirrt! Es ist mir eine Freude, zuzusehen, wie die verschiedensten Persönlichkeiten und Stile ausprobiert werden, die Kinder mal so, mal so auftreten, und gerne auch mal wild alles durcheinanderbringen. Gerade bei den Anhängern der Gitarrenmusik kann ich als Kenner die Unentschlossenheit identifizieren: Metal? Emo? NuMetal? Punk? All dies scheint austauschbar zu sein, und die Bandshirts (besonders beliebt: Children of Bodom) tragen diese Orientierungsphase an mein wissendes Auge. Es ist ein Fest, ich erkenne mich wieder, und ich freue mich täglich, wieder unter 13jährigen weilen zu dürfen, aber selber nicht mehr in diesem schwierigen Alter sein zu müssen…